Yoga-Gedanken: vom Wort zur Tat

Wer ist dein Feind? Der Geist ist dein Feind.

Wer ist dein Freund? Der Geist ist dein Freund.

Lerne die Wege des Geistes kennen. Zähme ihn mit Umsicht.

(Buddha)

Hier finden sich Texte, die aufzeigen, wie wir die Yoga-Philosophie konkret auf die eigenen Lebenswirklichkeiten anwenden können. Der Yoga Weg ist ein Weg der inneren Haltung von Achtsamkeit und des bewußten Umgangs mit den persönlichen und aktuellen Lebensumständen. Der innere Wachstumsprozeß auf dem Yoga-Weg ist geprägt von der grundlegenden Frage, wie es gelingt, mehr Bewußtheit, Unterscheidungsfähigkeit, Mitgefühl und Eigenverantwortung in unser Fühlen, Denken und Handeln zu integrieren.

Meine hier veröffentlichten Texte sind als Inspiration dafür gedacht, Yoga-Philosophie konkret und angewandt in unserem Leben einzusetzen. Es sind Gedanken aus den Newslettern und Erläuterungen aus der Yoga-Lebensphilosophie.

 

September 2022

"Wo Gefahr ist wächst das Rettende auch" (Hölderlin)

Liebe Yogi/nis, Achtsamkeitspraktizierende und FreundInnen,

Ich möchte einige stärkende Gedanken mit Euch teilen:

Der oben zitieret Satz von Hölderlin begleitet mich schon einige Jahrzenhte als stärkender Gedanke, Hoffnung und Kraft. Auch in der umwälzenden Zeit, die wir erleben stärkt er meine Zuversicht. Ebenso hilft es mir, immer mal wieder in die Yogasutras des Patanjali einzutauchen. Eine jahrtausend alte Philosophie, die beschreibt, wie es möglich ist, Hindernissn und Krisen konstruktiv zu begegnen.

Wir alle erleben gemeinsam und jede/r für sich eine Zeit der Hindernisse. Hindernisse gibt es im Außen wie im Innern. Die äußeren Hindernisse sind gerade vordringlich bestimmt durch Kriegsbedrohung, Klima- und Energiekrise und einem Rechtsruck in vielen Ländern der Welt. Diese schüren innere Hindernisse wie Ängste, Unsicherheiten, Zweifel und destruktive Vorstellungen. Hindernisse schaffen Leid. Leid schafft Krankheit in Körper, Geist, Seele und in der Welt. Wir sind aufgerufen diese leidbringenden Hindernisse zu erkennen und etwas gegen sie zu tun. Es ist leichter in eine negative, leidbringende, destruktive Haltung zu geraten, als aus ihr heraus zu finden.

Der erste grundlegende Schrittdabei ist nicht, äußere Feinde, Umstände oder Aggressoren zu bekämpfen. Der wesentliche Schritt beginnt damit, unseren Geist zu kultivieren.

Die Yogasutras zeigen Mittel und Wege auf, negativen Tendenzen entgegen zu wirken, unseren Geist zu schulen und Leben zu schützen.

1. Atem: ein bewußter, tiefer Atem stärkt und reinigt Körper und Geist. Er befreit von angestauter Luft, innerem Druck und Aufregung.

2. Personen: die Anbindung an einen Lehrer oder Menschen, die Weisheit, Lebenserfahrung und die Bewältigung von Krisen kennen, kann uns stützen. Ebenso Biografien zu lesen von Menschen, die Lebenskrisen bewältigt haben und uns Mut machen.

3. Achtsamkeit und Reflexion: Es geht darum, zu erkennen, was uns in Erregung versetzt und was uns beruhigt und gut tut. Nur aus dieser Unterscheidungsfähigkeit können wir Klarheit stärken und heilsam wirken.

4. Meditation: Innere Sammlung und Ausrichtung auf ein konkretes Objekt kann uns beruhigen und Bewußtheit stärken. Wir können uns ausrichten auf eine Kraft, Gefühl, Symbol … etwas, das uns im Innern positiv anspricht.

5. Gefühlsqualitäten kultivieren: Dabei geht es darum, sich auf 4 in den Sutras benannte wesentliche Gefühlszustände zu sammeln. Maitri ( Freundlichkeit/Liebe), Karuna (Mitgefühl), Upeksa (Vergebung), Mudita (Freude/Entusiasmus).

Ich lade euch herzlich ein, diese Möglichkeiten in der gemeinamen Yoga- und Achtsamkeitspraxis zu erfahren und uns gemeinsam zu stärken.

 

April 2022

"Frieden in mir, Frieden in der Welt". Thich Nhat Hanh

Liebe Yogi/nis, Achtsamkeitspraktizierende und FreundInnen,

heute kommt ein besonderer, ausführlicherer Newsletter zu Euch. Denn ich möchte mit Euch in dieser aufwühlenden Zeit einige nährende und hoffnungsgebende Gedanken aus der Philosophie und Praxis des Yogaweges teilen. Alle, die ein wenig Muße und Interesse mitbringen, finden ausführlichere Ausführungen im zweiten Teil dieser mail....

Teil 1

Viele Menschen schauen zur Zeit besorgt auf die gegenwärtige Situation und in die Zukunft. Viele fragen sich: Wie behalte ich einen positiven Blick auf das Kommende, ohne in eine naive Hoffnung oder Verdrängung zu gehen. Denn die gegenwärtige Situation mit all ihren Umwälzugen beeinflusst unser aller Leben:
die Corona-Pandemie mit ihren Folgen, die politische und die wirtschaftliche Lage in der Welt, die Erstarkung demokratie-feindlicher Kräfte, die Auswirkungen des Klimawandels. Hinzu kommen die Herausforderungen in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen und die Anforderungen in der persönlichen Alltagswelt.

Doch Lebensmut ist nicht abhängig von der Erwartung eines stets positiven Ergebnisses. Lebenskraft und Zuversicht sind Früchte unserer inneren Haltung. Und genau dies ist unsere Chance zur Selbstbestimmung. Denn auch wenn wir nicht immer Einfluss üben können auf die äußeren Umstände, auf die innere Einstellung haben wir Einfluss.

Wenn wir gerade in diesen widrigen Zeiten innere Freiheit, Mitgefühl und Weisheit kultivieren, finden wir zu einer Zuversicht auch und gerade angesichts aller Schwierigkeiten, die uns die Kraft gibt, sich hier und jetzt für eine positive Zukunft einzusetzen. Diese Stärkung von Geist und Körper können wir in der gemeinsamen Achtsamkeits- und Yogapraxis erfahren.

Teil 2

Und nun: Wie können wir der derzeitigen, aufgewühlten Welt begegnen?

In den Stufen des achtfachen Pfades von dem indischen Philosophen Patanjali finden wir für unsere heutige Zeit überraschend hilfreiche und aktuelle Orientierung für das eigene Handeln, für geistige Ausrichtung sowie zum Wohle der Gemeinschaft. Ähnlich unserer westlichen 10 Gebote im Christentum stellen die yamas und niyamas eine Empfehlung für ein friedvolles und achtsames Lebens in der Gesellschaft dar.

Wir erleben seit einigen Wochen vor unserer geografischen Haustür, in Europa wieder eine kriegerische Konfrontation und einen aufkeimenden Zwiespalt zwischen den Nationen und Menschen. Viele von uns, denen ein respektvolles, friedvolles Miteinander am Herzen liegt, fragen sich, was kann ich tun? Nun, ich kann immer bei mir selbst beginnen!

So möchte in dieser aktuellen Lage die Qualität und die Kultivierung von „Ahimsa“, die Gewaltlosgkeit besonders hervorheben.

Fangen wir bei uns selber an und tragen dies, wie von selbst, in die Welt:

Ahimsa“, die Gewaltlosigkeit ist eine der fünf Qualitäten der yamas, die ich stärken und praktizieren kann. Dies kann helfen, in aller Ablehnung und Fassungslosigkeit gegenüber den Gräueltaten, zu denen Menschen fähig sind, ein mitfühlendes, gewaltfreies Herz zu bewahren.

Im Folgenden habe ich Möglichkeiten beschrieben, wie wir, jede/r Einzelne, Gewaltlosigkeit im eigenen Handeln und Wirken umsetzen und stärken können. Gewaltlosigkeit bezieht sich auf unsere Handlungen ebenso wie auf unser Denken, Fühlen und Sprechen.

Ahimsa umfasst sowohl das Vermeiden von körperlicher und äußerer Gewalt, sowie die innere Haltung der Gewaltlosigkeit. Es meint ein wohlwollendes Umgehen mit uns selbst und allem, was lebt. Dies drückt sich aus in Rücksichtnahme, Freundlichkeit und Verständnis.

Dazu gehört zum Beispiel in der Rücksichtnahme auf andere nicht einfach seinen eigenen Willen durchzusetzen, sondern Konflikten mit der Bereitschaft um Verständnis und Verständigunng zu begegnen. Dies bedeutet, auf ein respektvolles und empathisches Reden und Zuhören zu achten.

Es gilt, mit liebevoller Zugewandtheit und Respekt anderen sowie sich selbst zu begegnen und Hilfe und tatkräftige Unterstützung anzubieten, wo es notwendig und möglich ist.

Achtsam gilt es zu sein, welche Art von Nachrichten und Informationen man aufnimmt. Fernsehkonsum, Zeitungslesen und anderer Umgang mit Medien enthält leider zum größten Teil die Aufnahme von negativer Berichterstattung über Gewalt, Krisen und Bedrohungen. Wir sollten uns bewußt machen, dass jede Informationsaufnahme einen störenden Einfluss auf unser Denken, unser Handeln und unsere Einstellungen und Befindlichkeiten ausübt. Genau so wie wir darauf achten, für unseren Körper gute Nahrung aufzunehmen, sollten wir uns bewusst sein, mit welcher geistigen Nahrung wir uns versorgen. Es gilt sich zu informieren und dabei bewußt auszuwählen und ein angmessenes Maß an Nachrichtenaufnahme zu finden.

Auch im Hinblick auf unsere Emotionen sollten wir uns um einen aufmerksamen Umgang bemühen. Falls Situationen oder das Verhalten von anderen Wut oder Ärger in uns auslösen, sollten wir möglichst nicht aus dem Gefühl der Betroffenheit heraus reagieren. Besser ist es, einen zeitlichen Abstand entstehen zu lassen, die auftretenden Empfindungen beobachten, um dadurch zunächst die Ursachen des Aufgewühltseins oder Unmutes zu verstehen. Aus diesem Verstehen beruhigen sich die aufgewühlten Gefühle und wir können klärende Gespräche führen, ohne zu neuen oder heftigeren Konflikten beizutragen.

Sobald man verstanden hat, dass alles ein Ausdruck von Energie ist, die wir in die Welt geben und sich als solches auswirkt, geht man unwillkürlich achtsamer um mit seinen Taten sowie mit Gedanken und Worten. In solchem Bewusstsein kann man die vielen kleinen Gesten des Alltags ausführen, wie zum Beispiel jemanden die Kaufhaustür aufzuhalten, im Straßenverkehr auf andere Rücksicht zu nehmen oder jemandem auf der Straße ein Lächeln zu schenken.

Gewaltlosigkeit bedeutet zudem, achtsam und verantwortungsvoll mit der Natur und den ökologischen Ressourchen umzugehen. So können wir in einer vegetarischen bzw. bewußten Ernährung die Achtung vor dem Leben praktizieren. Es ist gut zu realisieren, dass in allen Körperzellen der getöteten Tiere die Information von Angst und Aggression gespeichert und Bestandteil dessen ist, was wir mit der Nahrung zu uns nehmen.

Mit Ressourcen und Energiequellen der Erde verantwortlich umzugehen, kann schon in einem bewussten Umgang mit Wasser beginnen, indem wir beim Zähneputzen den Wasserhahn zwischenzeitlich abdrehen. In der Nutzung von alternativen Energiequellen übernehmen wir ökologische Verantwortung und unterstützen die technologische Suche nach einem schonenden Umgang mit der Natur.

Gewaltlosigkeit bezieht auch Aspekte struktureller Gewalt mit ein. Das heißt, wir sollten uns gesellschaftlicher Unterdrückung von Randgruppen und jeder Form von Rassismus entgegenstellen.

Om shanti, shanti om

Wer sich über „ ahimsa“ hinaus für die Stufen des achtfachen Pfade interessiert, findet im Folgendem einen kurzen Überblick. Nähere Ausführungen und Beispiele findet Ihr weiter in meinem Buch „Yoga- Ein Kompass im Alltag“:

Im Umgang mit den fünf yamas und den fünf niyamas, entsteht zuerst im geschützten Raum der Achtsamkeits- und Yogapraxis eine Veränderung unseres Verhaltens und Denkens. Dies wirkt sich zunehmend auf unsere Handlungen und Denkweisen im Alltag aus.

Zu den yamas: unsere Verhaltensweisen nach außen

Diese fünf Prinzipien unseres Verhaltens gegenüber unserer Umwelt, uns selbst und anderen gegenüber, haben universellen Charakter und finden sich in ähnlicher Form in fast allen Kulturen. Sie sind die Grundlage dafür, dass sich in einer Gesellschaft eine friedvolle Zivilisation entwickeln kann.

yamas, die Regeln unseres äußeren Verhaltens:

  • Gewaltlosigkeit (ahimsa)

  • Wahrhaftigkeit (satya)

  • Nicht-Stehlen (asteya)

  • reiner Lebenswandel (brahmacarya)

  • Nicht-Besitzergreifen (aparigraha)

 

niyamas, unsere inneren Einstellungen

  • Reinheit (sauca)

  • innere Ruhe (samtosa)

  • Askese (tapas)

  • Studium/Erkenntnis (svadhyaya)

  • Hingabe an Gott (isvarapranidhana)

 

 

Februar 2022

"Nur ein Tropfen vom Wasser des Mitgefühls und Verstehens und der Frühling kehrt auf die Erde zurück" Thich Nhat Hanh

Liebe Yogis, Achtsamkeitspraktizierende und FreundInnen,

wir erleben gerade sehr aufgewühlte Zeiten. Die Herausforderung der Pandemie klingt ab in ihrer Intensität, wenn sie auch weiterhin fürsorglichen und achtsamen Umgang mit uns und anderen bedeutet. Doch nun brodelt es in der weltpolitischen Lage und wir können nur hoffend mit guten, friedvollen Gedanken ausgleichende Kräfte in die Welt schicken.

Die Natur ist dabei gerade wie ein Spiegel: Die heftigen Winde wehen Altes und Staubiges fort, reinigen die Luft. Die Natur zeigt uns, wie Leben geht. Sie bleibt von Allem, was sie erfährt zwar nicht unberührt, doch in ihrer Lebenskraft unbeirrt. Der Frühling zeigt sich schon an einigen Stellen mit neuen Blüten und mit der Kraft zum Leben und zur Erneuerung.

Der allem zugrunde liegende Lebenswille, der unter der Erdkruste, der Oberfläche liegt wird sichtbar in den ersten Knospen, die den Weg zum Licht suchen und finden.

Diese universelle Kraft wirkt auch in jede/m von uns. Der Wille und das Bestreben, vom Dunklen zum Licht und vom Bedrohlichen / Disharmonischen zum Friedvollen zu kommen, ist eine treibende Kraft und Sehnsucht in jedem Lebewesen.

So lade ich Euch ein, in der gemeinsamen Yoga- und Achtsamkeitspraxis durch innere Stärkung und bewußte Ausrichtung diese heilsamen Kräfte in und für uns zu nähren und sie in die Welt zu tragen.

Dazu gibt es weiterhin die Zoom-Abende „ Yoga und Meditation“ am Dienstag, 20.00 Uhr.

Und es gibt wieder Präsenz-Tagesseminare an der VHS Augsburg.

Die ich euch in einer Übersicht mitschicke in großer Vorfreude auf ein Wiedersehen von Angesicht zu Angesicht!

Im März: 26.3. & 27.3.22

im Mai: 21.5 & 22.5.22

im Juli: 16.7. & 18.7.22

Ich wünsche Euch in all den Umwälzungen, die wir gerade erleben, dass Euer Inneres von Zuversicht, Liebe und Zugewandtheit erfüllt bleibt.

Mögen wir alle behütet sein und gestärkt in der Gemeinschaft unserer zusammenwirkenden Herzens-Kraft.

In tiefer Verbundenheit,    Sabine

 

 

Januar 2022

Zum Übergang und zur Verwandlung Thays vom 21.1. auf den 22.1.22

zum Tod und Gedenken Thich Nhat Hanhs

Kein Kommen kein Gehen

kein Vorher, kein Danach

ich halte dich nah bei mir

und gebe dich wieder frei

denn Du bist ja in mir

und ich bin in Dir.

Dieses Lied hat einen tiefen Samen in mir hinterlassen:

Es war mein erstes längeres Wochenretreat mit Thay 2006 in St. Engelmar. Nach dieser Woche der gemeinsamen Praxis, der Begegnung und des Interseins haben wir zum Abschluß alle miteinander dieses Lied gesungen.

Aus dem Klang von einigen Hundert Menschen, den Mönchen, Nonnen, TeilnehmerInnen und Thay schwang eine Welle von tiefer Kraft und Verbundensein im Raum. Zu Tränen gerührt, erfüllt von Liebe, Freude, tiefer Nähe stand ich da, schaute in die feuchten, liebevollen Augen der Mönche vor mir auf dem Podest und ich fühlte die Gewißheit: ja ich halte dich nah bei mir, ich gebe dich frei, denn ich bin ja in dir und du bist in mir.

Dieses Empfinden trägt mich bis heute bei jedem Abschied, wo, wie und von wem auch immer. Es gibt kein Getrenntsein!  Und es war der Funke dieses besonderen Augenblicks in St. Engelmar, der mich seitdem stets meine Verbundenheit, mein Intersein mit Thay spüren läßt.

Ohne von Thays Tod und seiner Sterbenacht vom 22.1.22 zu wissen träumte ich in der Nacht vom 21.1. zum 22.1.22 einen Traum der Würdigung, wo wir als Sangha mit mehreen TeilnehmerInnen und mit Thomas Barth, Thay Phap An und einigen Nonnen und Mönchen zusammensaßen. Jede/r teilte sein erstes tiefes Erlebnis mit Thay....

Mein Samen der ersten Erinnerung und Begegnung ist ein Vortrag im Circus Krone, 2001, wo ich Thay das erste Mal sah und hörte und der Funke direkt in mein Herz sprang. Es war so unmittelbar spürbar, dieser besondere Mensch lebt, was er lehrt. Thay ist lebendiges Vorbild dafür, dass es möglich ist Spiritualität, Ethik, persönliche sowie kollektive Verantwortung und gesellschaftsbildenes Handeln in den Alltag zu integrieren und ins Handeln zu bringen. Eine Praxis, die nicht nur auf der Yogamatte oder dem Meditationskissen stattfindet, sondern sich umsetzen läßt und wirken will im Alltäglichen.

Seit meiner ersten Begegnung war ich jedes Jahr mindestens einmal mit Thay zusammen: auf den Achtsamkeitstagen im Interseinzentrum Hohenau, in St. Engelmar beim Wochenretreat ( wo ich die 5 Achtsamkeitsregeln von Thay empfing), zum Neujahrsetreat in PlumVillage und dann auf allen Sommerretreats des Eiab bis zu Thays letztem Retreat 2014.

Der Bogen meiner persönlichen Entwicklung, inneren Heilung und Vertiefung der Achtsamkeitspraxis ist weit gespannt und wurde im Laufe der Jahre stetig kräftiger.

Wenn ich mir meinem Lern- und Praxis-Prozeß in diesen Jahren vergegenwärtige denke ich lächelnd an zwei besondere Erlebnisse, die meine Entwicklung verdeutlichen:

2001 war ich beim ersten Vortrag noch ganz unbedarft, doch gleich entzündet von Thays Ausstrahlung und seiner Lehre und deren mögliche Anwendung im Alltag. In St. Engelmar gab es an einem Vormittag eine Schlüsselsituation. Ich kam in den Meditationsraum. Thay saß schon dort ganz allein auf dem Podest in stiller Meditation. Es waren kaum Menschen im Raum. Ich war fasziniert von Thays Ausstrahlung, doch statt mich still dazuzusetzen begann ich ihn aus einer respektvollen Entfernung zu fotografieren. Was tat Thay? Er drehte sich, ohne die Augen zu öffnen, einfach um und wandte mir und dem Raum den Rücken zu. Botschaft angekommen, sofort ließ ich die Kamera sinken und setzte mich still aufs Kissen. Nie wieder hatte ich das Bedürfnis, ein Foto oder andere Arten der Zerstreutheit während Thays Unterweisungen zu machen.... Das letzte Retreat 2014 begann damit, dass ich bewußt früh in die Mediationshalle ging, um möglichst in einer der ersten Reihen zu sitzen, um Thay sehen zu können und ihm nah zu sein. Es gelang mir auch die ersten drei Tage immer einen „guten Platz“ einzunehmen mit freiem Blick auf Thays Platz.

Doch was geschah? An jedem dieser ersten drei Tage setzte sich, kurz bevor Thay den Raum betrat, jemand so vor mich, dass mein Blick versperrt war – eigentlich unmöglich so weit vorne: doch einmal war es ein Frauenschopf mit wuscheligem Haar und Hut, dann ein großer Mann mit breitem Rücken und zuletzt ein Paar das eng zusammen saß ohne Zwischenraum. Ich konnte nur Thays Stimme hören. Schon mehr als ein Zufall! So fragte ich still: Thay, was soll ich hier gerade lernen und verstehen? Und die Antwort kam, stieg tief aus meinem Innern auf: Du mußt mich nicht sehen, du hast alles in Dir. Und du wirst mich auch nicht mehr sehen (es war Thays letztes Retreat vor seinem Schlaganfall!). Danach habe ich die restlichen Retreat-Tage mit Freude, tiefem Erfüllt sein und freiem Blick auf Thay seine Unterweisungen genossen!

In tiefer Dankbarkeit für alles, was mir Thay als geliebter Lehrer geschenkt und vermittelt hat und für alles, was er an Samen in die Welt gebracht hat, gedenke ich seiner in Liebe und Verbundenheit und meine Liebe begleitet ihn nun auf seinem Weg der großen Wandlung.

Ich bin sehr berührt von den Tagen des Abschied nehmens in Begleitung der live Übertragungen von Plum Village und aus Thays Tempel in Vietnam.

Ich war ganz überwältigt bei den ersten Bildern, denn ich hatte nicht damit gerechnet Thay zu sehen. Da lag er: ganz vertraut, still, entspannt, beseelt auf seinem Totenbett umgeben von so viel spürbarer Liebe.

Es ist ein tiefes Geschenk durch die Video-Übertragungen Thay in seinem Übergang noch einmal sehen zu dürfen, den Abschied zu teilen und in die große Gemeinschaft verbunden zu sein. Die Kraft der sangha, der Bilder, des Gesangs der Mönche, der Rituale und Thays stille Anwesenheit geben meiner Praxis und meiner inneren Insel noch einmal einen vertiefenden Schub. Welch ein kostbares Abscheidsgeschenk des geliebten Lehrers!

Und ja: Es gibt kein Sterben, kein Sein und Vergehen. Thay lebt in uns allen und unserer Praxis weiter. Er bleibt lebendig in seinem Sein in und durch uns alle, die wir Achtsamkeit praktizieren und in die Welt bringen.

Und jeden Tag dieser Abschiedswoche spüre ich mehr:

Thay ist Achtsamkeit

Achtsamkeit ist Thay

wenn ich achtsam bin, bin ich Thay

ich bin eine Fortführung, ich bin die Kontinuität Thays

in meinem achtsamen Handeln, Denken und Fühlen

in meinem Wirken in der Welt bleibt Thay lebendig und sichtbar.

Er ist in mir und durch mich lebendig

Er ist in mir und ich bin in ihm.

In der tieferen Betrachtung, kann ich dies Empfinden auf alle Menschen ausdehnen, die aus meinem Leben bereits (vor-)gegangen sind. Unsere verstorbenen, geliebten Menschen bleiben lebendig, beiben bei uns, sind nicht verschwunden.

Wenn ein Mensch, dem wir nahe stehen, diese Welt, die historische Dimension verläßt bleiben viele Erinnerungen von dem, was wir mit ihm erlebt haben in unserem Herzen lebendig. Wir sind mit ihm verbunden auch über den Tod hinaus. Das gemeinsam Erlebte zu erinnern ist eine tröstende und wohltuende Kraft und eine Brücke zu den Verstorbenen.

Das Verständnis der Kontinuität – von der Thay so oft gesprochen hat - geht über diese Qualität der guten Erinnerungen hinaus. In dem Verständnis, ich bin Thay, ich bin dieser geliebte Mensch kannn ich erfassen, dass es keinen Tod, kein Sterben, kein Auslöschen gibt.

Es gibt nur die Wandlung der Manifestation, die Weiter-Existenz in vielerlei Formen und unendlichen Ausdrucksweisen.

So kann ich mir bewußt vergegenwärtigen, was mir der verstorbene Mensch an guten Samen, Eigenschaften, Qualitäten vorgelebt und mitgegeben hat. Was waren seine Werte, seine Eigenheiten. Wenn ich diese nun in meinem Denken und Handeln fortführe,sie bewußt ausübe bin ich die Fortführung seiner Person und sorge auf diese Weise für ein Weiterleben, ein Fortführen, das den Tod in der historischen Dimension überwindet.

Ich bin von Herzen dankbar, dass ich Thay begegnet bin. Er hat meinen Weg der inneren Heilung und dem Lösen aus vielen Verstrickungen wesentlich begleitet. Seine Art der Achtsamkeitslehre durchdringt meine Arbeit als Yoga-, MBSR- und Meditationslehrerin. In all den Bereichen meines Lebens, Denkens und Fühlens bin ich tief mit Thays Lehre im Kontakt: Einatmen, ausatmen – innehalten – tiefer schauen und verstehen und aus diesem Verständnis achtsam und fürsorglich für sich selbst und andere handeln - dies ist das Fundament meines persönlichen Weges und meines Wirkens als Lehrerin und Begleiterin für andere.

Ich bin dankbar, demütig und erfüllt von Liebe und Freude auf diese Weise die Kontinuität Thays sein zu dürfen.

 

 

November 2021

Wach im Geist - fürsorglich im Tun – mitfühlend im Herzen

jede/r für sich oder alle gemeinsam?

Yoga heißt in seiner Wurzel „Yur“ = verbinden, vereinigen

vereinigen der inneren Kräfte, verbinden der Gegensätze, vereinigen von Körper und Geist, vereinigen von Wort und Tat, vereinigen von persönlich und gesellschaftlich, von inividuell und universell.

In diesem Sinne schreibe ich euch heute einen besonderen Rundbrief mit inneren Gedanken zur aktuellen besonderen Situation, die uns alle gerade auffordert Geist, Herz und Handeln zu vereinen.

"Wir sind was wir denken. Alles was wir sind, entsteht aus unseren Gedanken. Mit unseren Gedanken formen wir die Welt." ( Siddhartha Gautama Buddha)

Ihr Lieben, Freundinnen, Freunde, Bewußtseins-Menschen,

heute kommt Post für euch von mir, die meinem Bedürfnis entspringt, nun doch mal eine längere persönliche Stellungnahme zu unserer zunehmend alamierenden gesellschaftlichen Situation einzunehmen.  Nehmt sie als Ausdruck meiner aktuellen Befindlichkeit und im besten Sinne gerne als Inspiration....

Eine kleine Prabel:    "Die beiden Hunde - das Ebenbild"

"Ein König hatte zwei Jagdhunde geschenkt bekommen. Auf ihrer Erkundungstour durch das Schloß liefen sie durch viele Räume und Flure. Der erste kam dabei in einen Saal voller Kristallspiegel. Er erschrak, da er sich plötzlich von vielen aggressiven Jagdhunden umgeben sah. Wütend fletschte er die Zähne, bellte, knurrte und sah sich verfolgt und bedroht von all diesen Ebenbildern. Er hetzte umher bis er schließlich zusammenbrach. Der zweite kam kurz darauf auch in den Spiegelsaal. Er sah seine Ebenbilder freudig an und war umgeben von zugewandter und freundlicher Gesellschaft. So ging er weiter, davon überzeugt, in einer Welt ihm wohlgesonnener Hunde zu leben."

Mit der Parabel der beiden Jagdhunde lade ich euch ein, auf die eigene innere Haltung und Sichtweise immer wieder einen prüfenden Blick zu richten.

Die anhaltende Pandemie-Sondersituation fordert uns alle heraus - kollektiv wie individuell, staatlich wie persönlich! Und ja, auch ich erlebe es als anstrengend, frustrierend, überdrüssig und auch bedrohlich und herausfordernd – doch es hilft nichts, wir müssen uns dem allem, was ist und kommt immer wieder neu stellen.

Aus meiner Sicht ist es schon lange keine reine Frage der Impfbereitschaft, Impfverweigerung, Impfpflicht.... mehr.

Es ist zur grundlegenden Frage geworden, ob wir als Einzelne dem Staat und der Gesellschaft, in denen wir leben, vertrauen oder mißtrauen. Ob wir Verantwortung für die Gemeinschaft übernehmen oder nur uns selbst in unserer eigenen Befindlichkeit sehen.

Meine Generation und auch die bereits Nachfolgende hat das große Glück erfahren bisher keine wirkliche existenzielle Krise und Erschütterung erlebt zu haben. - Wir haben keine Übung und Erfahrung im Umgang mit kollektiver Bedrohung. - Wir sind im Wirtschaftswachstum und im Aufbau einer Demoratischen Gesellschaft aufgewachsen, haben wachsenden Wohlstand, freie Bildungs- und Berufschancen erlebt und durch die 68er viele zunehmende persönliche Freiheiten erkämpft.

Unsere Generation war die erste, die dies so stabil erfahren und sich in Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung individuell entwickeln durfte. All dies Wertvolle ist selbstverständlich geworden, wir sind es inzwischen gewohnt, unseren Blick vor allem auf uns selbst und die eigene Befindlichkeit zu richten. (noch nie gab es so viel Selbsterfahrungsangebote, Selbstverwirklichungsseminare und persönliche Entwicklungs-Möglichkeiten wie in unserer Generation und Zeit....)

Doch Demokratie und Selbstbestimmung bedeutet nicht nur persönliche Freiheit, sondern auch Verantwortung für andere. Ich denke, wir leben in einer der aktuell besten Demokratien, auf friedvollem, sicheren und wirtschaftlich hohem Niveau und einem Grundgesetz zum Wohle der Einzelnen ebenso wie zum Wohle und Schutz der Gemeinschaft!!!! Ein hohes Gut wenn wir in die Welt schauen, für das ich besonders in dieser aktuellen Krise sehr dankbar bin und das es wertzuschätzen und zu schützen gilt!

Diese unsere demokratische Solidargemeinschaft bedeutet nicht nur Freiheiten und Rechte für jede/n einzeln, sondern auch Pflichten für alle. Eine Verpflichtung zur Verantwortung zum Schutz und Wohle der Allgemeinheit. Und hier kommt ganz unabdingbar unser Verhalten in der aktuellen Krise zum tragen: dabei gibt es viele Fragen, die wir uns stellen und beantworten können, bewußt und selbstkritisch - in mein Ebenbild des Spiegelkabinettes schauend, dass mir meinen Blick in die Welt zurückwirft, wie das Spiegelkabinett der zwei Hunde....

Vertraue ich dem Staat in dem ich lebe oder nicht? Und wenn ich ihm mißtraue, warum lebe ich hier? Und wenn ich ihm vertraue, wie bringe ich mich ein mit einem verantwortungsbewußten Handeln - dass übrigens schon im Denken und Sprechen beginnt?!

Was ist (Eigen-) Verantwortung? Wem gebe ich die Verantwortung für meine Lebensbedingungen, wo nehme ich gerne alle Vorzüge dieser Gesellschaft in Anspruch, lehne es aber ab, Einschränkungen und Unbequemlichkeiten für die gesellschaftliche Gemeinschaft und ein sicheres Zusammenleben zu übernehmen?

Was ist Solidarität? Habe ich die Erwartung, dass vor allem die Politiker, Entscheidungsträger, andere....für meine persönlichen Freiheiten, Vorzüge und Bequemlichkeiten zu sorgen haben oder bin ich aus Solidarität auch bereit für selbstloses Handeln zum Wohle der Gemeinschaft und sehe meine Verantwortung und die Auswirkungen meines Handelns und Denkens für alle, fühle mich als ein Teil des Ganzen?

Welche Arten von Freiheit ringen miteinander, ? Meine persönlichen Befindlichkeiten oder nötiges Handlen zum Schutz der Allgemeinheit und der Lebensgrundlagen für alle - was lenkt meine wirkliche Motivation aus dem mein Tun und Denken entsteht? was meine ich, wenn ich von Freiheit spreche, die es zu "verteidigen" gilt?

Wie handeln wir, wenn wir Entscheidungen für unser Handeln treffen müssen, jedoch nicht genug Wissen über die Situation und Sachlage haben? Wo informiere ich mich in dieser Pandemie, welchen Nachrichtenquellen schenke ich Glauben und Vertrauen? Mit welchen Informationen und Inhalten gehe ich in Resonanz? Vertraue ich der Wissenschaft, den Fachleuten, den entsprechenden Entscheidungsträgern - was glaube ich lenkt ihr Handeln und Auftreten? Was denke ich über die öffentlich rechtlichen Medien und damit den Organen unsere Presselandschaft nicht nur dieser aktuellen Pandemie, sondern auch darüber hinaus?

Wie und wodurch entstehen politische Kollektive und Strömungen? Wie kann es sein, dass rechtsradikale, demokratiegefährdende Gesinnungen plötzlich Schulter an Schulter mit (vermeintlichem) Kämpfen und Demonstrieren für demokratische Strukturen auftreten dürfen und dies keinen Anstoss und Abgrenzung mehr (in mir) erregt?

Was sind die Aufgaben und Möglichkeiten eines Staates in Notsituationen? Der Staat hat für Grundlagen, Regeln und Vorgaben zu sorgen, doch einlösen kann sie nur jede/r einzelne in seinem Handeln und Mitwirken....

Wie halte ich es aus, dass nebenan Menschen sterben? Inwieweit bin ich bereit, die Konsequenzen meines eigenen Verhaltens bis zum Ende zu denken und ihre Auswirkungen auf andere zu sehen...

Ja, es läuft nicht alles rund und optimal in dem aktuellen Krisenmanagement der Regierenden. Und es treten auch (schon länger bestehende ) Versäumnisse der politischen Entscheidungen (Gesundheitssystem, Pflege, soziale Misstände...) immer deutlicher zu Tage, eine Krise macht stets alles Bestehendes in seinen Auswirkungen noch anschaulicher. Das kennen wir auch aus unserem eigenen Leben und Erfahrungen.

Doch in bin überzeugt, dass zur Lösung der aktuellen Situation alle Mitwirkenden aus Politik, Gesellschaft, Wissenschaft das ihnen Bestmögliche tun und wollen, zum Wohle und zur Sicherheit von uns allen! Auch sie haben, genau wie wir, keine Übung in dieser Dimension der gesellschaftlich kollektiven Krise, die wir gerade erleben und machen ebenso ihre ersten Erfahrungen in Umgang und Managment damit – wir lernen gerade alle dazu! Es gibt kein die da oben und ich hier unten, kein die da manipulieren und ich bin das Opfer, das sich wehren muß....

Und noch etwas spiegelt uns unser Handeln und Denken in der aktuellen Situation, denn so wie ich in meinem Leben mit persönlichen Umbrüchen und Krisen umgehe, mit meinen erlernten und verinnerlichten „Überlebensstrategien“ , so werde ich wohl auch der Situation der Pandemie begegnen:

  • vermeiden, leugnen

  • dramatisieren

  • verharmlosen

  • fürsorglich anerkennen

Politisches, gesellschaftbildendes, zukunftsbildendes Verhalten beginnt in meinem eigenen Tun und Denken, immer und jetzt!!! - darüber sollten wir uns alle bewußt sein!

 

 

Juli 2021

"Wenn der Wind des Wandels weht bauen die Einen Schutzmauern und die Anderen Windmühlen" ( chines. Sprichwort)

Ein besonderes Jahr der Veränderungen, Rütteln an Gewohnheiten und Umstellungen im vertrauten Lebensalltag liegt hinter uns allen. Die „Corona-Zeit“ hat uns herausgefordert, flexibel und im Fluß der Ereignisse konstruktiv und vertrauensvoll mit zu gehen. Für mich persönlich war es durch und jenseits der Pandemie-Auszeit ein Jahr des Windes und der Windmühlen. Denn ich werde Augsburg verlassen und in meine alte Heimat ins Sauerland umziehen!

Fast scheint es mir, als folge mein Leben einem unsichtbaren Rhythmus.

Denn alle 20 Jahre gibt es einen wegweisenden Prozeß und Wendepunkt in meinem Leben!

Die ersten 20 Jahre meines Lebens waren die meiner Kindheit in einem liebevollen, sicheren Elternhaus, eine Zeit des Heranwachsens, der Familien- und Schulzeit.

Mit 19 Jahren ging zum Studium nach Münster: Ein Übergangsjahr, bevor das nächste Jahrzehnt begann und ich meinen Geburtsort verließ und Fuß faßte in meiner neuen Wahlheimat.

Mit 39 Jahren begann wieder ein Übergangsjahr. Ich begann meine erste Yoga-Ausbildung und mit 40 Jahren folgte ich dem Ruf nach München und dann nach Augsburg. Ein Schritt, der mir viele Türen zu neuen Dimensionen ermöglichte.

Mit 60 Jahren stehe ich nun wieder in einem Jahr des Aufbruchs und Wandels.

Hinter mir liegen 20 Jahre vor allem des inneren Wachsens. Ich fand meine Berufung und erfuhr in der Yogaphilosophie und buddhistischen Achtsamkeitslehre meine spirituelle Heimat und stimmige Lebenspraxis. Und nun werde ich meinen vertraut gewordenen Lebensort Augsburg verlassen und in das Umfeld meiner alten Heimat zurückkehren.

Doch es ist keine Rückkehr im Sinne eines „Zurück“.

Es fühlt sich vielmehr an, wie die Vollendung eines Kreises. Ein Lebenskreis, der erfüllt ist von vielen Erfahrungen, schmerzlichen, wohltuenden, stärkenden, suchenden, findenden ….

Ein Lebenskreis, der durchzogen ist von vielen Wegen, Zugängen und Wendungen, die mich alle zusammen dahin geführt haben, dass ich aus einer reich gefüllten, nährenden Lebensschale schöpfe, schöpfen darf aus all den gesäten Samen und auf einem tragenden Boden.

In allem Wandel, der sich in meinem Leben vollzieht, spüre ich innere Gewissheit, dass alles Wesentliche bleiben wird und ich getragen bin.

Getragen in:

  • gewachsenen Freundschaften, ob räumlich nah oder fern

  • meinen Familienbanden und liebevoller Ehegemeinschaft

  • heimatlicher und neu zu entdeckender Wohn-Umgebung
  • meiner inneren, spirituellen Beheimatung

  • und in der gewachsenen Yoga-Gemeinschaft, die UNS verbindet

und in dieser Gewissheit freue ich mich weiterhin auf gemeinsame Praxis und Austausch mit Euch!

In dankbarer und herzlicher Verbundenheit,  Sabine

 

 

Aktuell, April 2021

Der Häuptling der Hopi Indianer, White Eagle, hat sich vor einigen Tagen zu der Pandemie-Situation geäußert:

„Dieser Moment, den die Menschheit gerade erlebt, kann als Pforte oder Loch betrachtet werden.

Die Entscheidung, ins Loch zu fallen oder durch die Pforte zu schreiten, liegt an Euch.

Wenn Ihr rund um die Uhr Nachrichten konsumiert, mit negativer Energie, dauernd nervös, mit Pessimismus, werdet Ihr in dieses Loch fallen.

Aber wenn Ihr die Gelegenheit ergreift, Euch selbst zu betrachten, Leben und Tod zu überdenken, für Euch und andere Sorge tragt, dann werdet Ihr durch das Portal gehen.

Sorgt für Euer Zuhause, sorgt für Eure Körper. Verbindet Euch mit Eurer geistigen Heimat.

Wenn Ihr Euch um Euch selbst kümmert, kümmert Ihr Euch gleichzeitig um alle anderen.

Unterschätzt nicht die geistige Dimension dieser Krise. Nehmt die Perspektive eines Adlers ein, der von oben das Ganze sieht mit erweitertem Blick.

Es liegt eine soziale Forderung in dieser Krise, aber genauso eine geistige. Beide gehen Hand in Hand.

Ohne die soziale Dimension fallen wir in Fanatismus. Ohne die geistige Dimension fallen wir in Pessimismus und Sinnlosigkeit.

Ihr seid vorbereitet, um durch diese Krise zu gehen. Nimm deinen Werkzeugkasten und verwende alle Werkzeuge, die Dir zur Verfügung stehen.

Lerne inneren Widerstand am Vorbild indianischer und afrikanischer Völker: Wir wurden und werden noch immer ausgerottet. Aber wir haben nie aufgehört zu singen, zu tanzen, ein Feuer zu entzünden und Freude zu haben.

Fühle Dich nicht schuldig, Glück zu empfinden während dieser schwierigen Zeiten. Es hilft überhaupt nicht, traurig und energielos zu sein.

 

aus meinem Buch: "Yoga - Ein Kompass im Alltag"

Yoga als Lebenshaltung - Die Yoga-Sutras des Patanjali

Der indische Philosoph und Lehrer Patanjali schrieb seine bis heute zentrale Lehre zum geistigen Weg des Yoga in der Zeit vom 2. Jhd. vor bis 2 Jhd. nach Chr.. Seine genaue Lebensspanne ich nicht bekannt. Der von Patanjali in acht Stufen unterteilte Weg des Yoga wird auch Königsweg genannt, da er alle wesentlichen Faktoren für die Entwicklung eines geistigen Wachstumsprozess und Bewusstseinswandels beinhaltet. Der Asthanga-Yoga (asthanga = acht) von Patanjali ist ein umfassendes System, welches Hinweise gibt, für ein ethisches Verhalten, für eine positive innere Ausrichtung des Geistes, für eine gute Körperhaltung und für die spirituelle Verbindung zum Göttlichen.

Dieser Weg folgt zentralen Übungsthemen, mit denen sich jeder Yoga-Praktizierende ehrlich auseinander setzen sollte. „Sie sind die verschiedenen Glieder des ganzheitlichen Yogaweges und sind in ihrer Wichtigkeit alle gleichwertig. Sie stellen eine Umschulung des Verhaltens dar, die sich an sechs verschiedene Ebenen unserer Persönlichkeit richtet, beginnend von der äußersten bis hin zu subtilsten Ebene“ . Patanjali trifft dabei eine Unterscheidung zwischen den äußeren (yamas) und inneren (niyamas) Gliedern des Yoga und die letzten Drei fasst er zusammen unter der Bezeichnung der Sammlung (samyama). Sie beinhalten die Kunst der Konzentration, der Meditation und der Versenkung.

Sutra bedeutet Faden und so wie Fäden die Perlen einer Kette zusammenhalten, so binden die einzelnen Aspekte der insgesamt 196 Yoga-Sutras jene Elemente zusammen, die für die Entwicklungsstufen des Menschen auf seinem Befreiungsweg des Yoga von Bedeutung sind. Bevor Patanjali sein System dieser Entwicklungsstufen näher erläutert, zählt er zunächst die acht Glieder der Reihe nach auf: yama – niyama – asana – pranayama – pratyahara – dharana – dhyana – samadhayo` stav angani

Die acht Stufen des Yoga-Weges:

1. yama: äußere Regeln des allgemeinen Handelns

2. niyama: innere Regeln der Geisteshaltung, mit denen gehandelt wird

3. asana: die rechte Körperhaltung

4. pranayama: die Regulierung des Atem

5. pratyahara: das sich Zurückziehen der Sinne

6. dharana: die Kunst der inneren Sammlung

7. dhyana: die Kunst des Loslassens und der Meditation

8. samadhi: der Zustand der inneren Leere und Vereinigung

Die Elemente dieses Weges enthalten Hinweise für ein konstruktives Handeln nach außen sowie für die Entwicklung von positiven Einstellungen. Wobei diese sich gegenseitig beeinflussen. Es ist ein ständiges Miteinander, ein Wechselspiel, das sich bedingt und durchdringt.

Im Umgang mit den yamas und den niyamas, wie auch mit den weiteren Gliedern innerhalb dieses Übungsweges, entsteht zuerst im geschützten Raum der Yogapraxis eine Veränderung des Verhaltens und Denkens. So kann zum Beispiel der Einzelne im Umgang mit dem eigenen Körper und in dessen achtsamer Wahrnehmung sich selbst und seine eigenen Potentiale kennen lernen. In den Yoga-Haltungen zu spüren, was gut tut und was Unwohlsein hervorruft, hilft auch, im Alltag besser auf sich zu achten und unterscheiden zu lernen, was das eigene Wohlbefinden stärkt bzw. was es schwächt.

Weiter gilt es, das, was sich in der Yoga-Praxis gezeigt hat, in der Begegnung mit der Umwelt und anderen Menschen, zu erproben. Und zu sehen, inwieweit sich das Gelernte auch innerhalb der Herausforderungen des Alltags bewährt. Jedem, der sich in die Auseinandersetzung mit diesen Übungs- und Entwicklungsfeldern begibt, wird rasch deutlich, dass Yoga keine reine Praxis für die Matte oder für eine isolierte Übungszeit während des Tages ist.

 

April 2021

Gute Samen wässern

Der Frühling lockt mit seinen frischen Kräften, Farben und Neues wachsen lassen. In diesem Sinne wünsche ich Euch, dass auch im inneren Boden deines Bewußtseins und deiner Schöpferkraft die Samen guter Kräfte erblühen mögen. Auch wenn die Krisensituation noch immer andauert, die nach wie vor viel Geduld und Zuversicht erfordert, zeigt uns die Natur das immer auch Gutes, Frisches, Neues an Samen in der Erde schlummert und darauf wartet sich entfalten zu können.

So gilt es auch für uns die guten Samen im inneren Boden und um uns herum zu entdecken, das Gute und Wunderbare im Alltäglichen zu sehen, es zu pflegen und zu nähren – dies ist die Lehre der Gegenwart, die wir gerade erleben. In Bewußtheit und Achtsamkeit mit all den gegenwärtigen Prozessen umzugehen, läßt uns auch in der Pandemie erkennen, was an Positiven hier zu finden ist.

Um es in den Worten von Thich Nhat Hanh zu sagren:

„Wenn Achtsamkeit etwas Schönes berührt stärkt sie dessen Kraft.

Wenn Achtsamkeit etwas Schmerzliches berührt, hilft sie es zu heilen“.

Die Praxis des „Yoga der Achtsamkeit“ & der "Achtsamkeits-Meditation" zielt neben den körperlichen Übungen stets auch auf die bewußte Ausrichtung unseres Geistes.

In den grundlegenden Yoga-Sutras von Patanjali wird Yoga als Praxis beschrieben, um den Geist und die innere Haltung zu reinigen und zu innerer Stabilität zu kommen.

Dieser innere Prozeß führt uns in die Qualität von:

  • Zentrierung & Besinnung nach innen

  • Loslassen von dem was Leid und Spannung schafft

Die grundlegende Qualität von asanas (Körperhaltung) und citta (Geist) sollte nach der Yogaphilosophie Patanjalis stets so sein:„Sthira Sukham Asanam.” Sthira wird übersetzt mit: „fest, stabil, straff, widerstandsfähig, ausdauernd, feststehend, keinem Zweifel unterworfen.“ Sukha wird übersetzt mit: „Angenehm, behaglich, freudvoll, wohlig, leicht“

Wir können dies in den asanas im Körper spüren und den Geist (citta) bewußt ausrichten. Körper und Geist stehen stets im Wechselspiel. So kann jede/r an sich beobachten, wie die körperlichen Haltung die innere Geisteshaltung beeinflusst und wie die innere Haltung sich in den äußeren Körper-Haltungen und Handlungen widerspiegelt. Wenn wir zum Beispiel innerlich aufgewühlt oder in Stress sind, sind auch unsere Handlungen hektisch und unkonzentriert. Wenn wir dann bewusst ruhig atmen und unseren Geist nach innen sammeln, werden auch die Handlungen und Gedanken wieder zielgerichtet und ruhig.

So lädt die Yoga- und Meditationspraxis immer wieder ein, uns zu stärken und den achtsamen Blick und das bewußte Empfinden für die positiven Kräfte zu stärken.

 

Dezember 2020

Weihnachten

Markt und Straßen stehn verlassen, still erleuchtet jedes Haus

sinnend geh ich durch die Gassen, alles sieht so festlich aus.

An den Fenstern haben Frauen buntes Spielzeug fromm geschmückt,

tausend Kindlein stehn und schauen, sind so wunderstill beglückt.

Und ich wandre aus den Mauern bis hinaus ins freie Feld,

hehres Glänzen, heiliges Schauern. Wie so weit und still die Welt.

Sterne hoch die Kreise schlingen,

aus des Schnees Einsamkeit steigts wie wunderbares Singen

O du gnadenreiche Zeit.

(J.v. Eichendorff)

Mit diesem Zitat möchte ich alle darin bekräftigen, einen guten Lebensrhythmus zu finden und in der Kraft von Stille, Liebe und Vertrauen durch die aktuelle Zeit zu gehen. Wir erleben nach wie vor besondere Umstände mit besonderen Herausforderungen. Im Sinne der Achtsamkeit und der (yogischen) Bewußtheit bleibt es eine Einladung uns weiter zu besinnen: Wir erfahren eine Zeit in der Gewohntes durchbrochen wird, wir aufmerken und wir wieder wertschätzend die kostbaren Dinge in unserem Leben wahrnehmen lernen: eine leckeres Essen, ein warmes Zuhause, ein gutes Buch, das Lächeln eines lieben Menschen, ein gutes Gespräch,.....

Was wir Menschen aus uns heraus und als Kollektiv nicht mehr schaffen, nämlich aus dem sich viel zu schnell drehenden Rad unserer Lebenswelten, aus Konsum und Erlebnishunger auszusteigen, das beschert uns nun dieser Virus auf schmerzliche Weise von außen. Es zeigt sich die Notwendigkeit von neuer Wertschätzung und neuem Stellenwert in vielen Lebensbereichen. Gerade die Arbeits- und Alltagswelten, die uns Menschen zu Gute kommen, besonders im Gesundheits- und Betreuungswesen, verdienen in ihrer aktuellen Leistung und Relevanz neue, längst überfällige Wertschätzung! Und es ist eine Zeit des Verzichtens, der Einschränkungen und auferlegten Regeln. Wir können darauf mit Frustration, Widerstand, Angst oder Negativberichten reagieren. Wir können jedoch diese Zeit des „lockdowns“ auch als eine Zeit des Innehaltens erleben und spüren wie wohl es tut, unsere überreizten Innen- und Außenwelten runterzufahren. Statt danach zu rufen, dass alles bleiben soll wie gewohnt, können wir die Qualität des Ruhiger-Werdens erfahren und neue Prioritäten erkennen.

Können wir überhaupt noch Ruhe geben? Sind wir uns selbst genug? Womit füllen sich unsere Lebens-Tage, wenn die gewohnte Geschäftigkeit wegfällt? Welche Bedürfnisse zeigen sich als wesentlich? Wir können Gemeinschaft im Privaten wie im Gesellschaftlichen wieder als achtsames, fürsorgliches, solidarisches Miteinander erleben, statt vorwiegend den eigenen Meinungen und Anliegen zu folgen.

In meiner Kindheit war die Adventszeit eine besondere Zeit im Jahr. Eine Zeit, wo die Ruhe und Stille in der Natur uns zum gemütlichen Verweilen inspiriert haben. Der Advent und die stade Zeit zum Jahreswechsel haben uns eingeladen, Besinnlichkeit in unsere Alltagswelten einkehren zu lassen. Das Jahr neigt sich seinem Ende und beschert uns Raum für Erholung, innere Einkehr und wohliges Tun. So erinnere ich mich gerne an meine Kindheit: es roch nach gebackenen Plätzchen, das Haus wurde mit Selbstgebasteltem geschmückt, persönliche Geschenke wurden gefertigt aus einfachen Mitteln, Geschichten wurden gelesen bei Kerzenschein....

Die Zeit des auferlegten „lockdowns“ kann, aus dieser Qualität betrachtet, eine Einladung für uns alle sein, das Gute jenseits aller gewohnten Geschäftigkeit zu sehen, eine wertschätzende Haltungen zu entwickeln und Inspiration zu neuen Ausdrucks- und Begegnungsformen zu erleben. So kam uns in der Familie die Idee, in diesem Jahr an Weihnachten statt der üblichen Besuche ein kleine Tour zu uns lieben Menschen zu machen und draußen vor den jeweiligen Fenstern mit Weihnachtsliedern ein Ständchen zu singen, Wärme in unsere Herzen zu bringen und sie gemeinsam schwingen zu lassen.

Uns gegenseitig Liebe und Fürsorge zu schenken heißt in diesem Jahr anders auf einander zu achten: Im Achten auf den schützenden Abstand können wir die innere Verbundenheit spüren und können darauf achten, dass unsere Liebe füreinander nicht im inneren Widerstand oder Ängsten gegenüber den gegebenen Umständen erstickt wird. So wünsche ich uns allen, dass wir angemessen umgehen mit allem, was gerade nötig und fürsorglich für unsere Gemeinschaft ist. Dass wir solidarisch, umsichtig und kreativ sind im Finden neuer Begegnungsformen.

Ich wünsche jedem/jeder, dass gute Erfahrungen aufblitzen in dieser Festzeit und Erlebnisse und Erinnerungen da sind, die ein Lächeln auf die Gesichter zaubern und das Innere mit einer stillen Freude erfüllen. Ich wünsche uns allen, dass etwas zurückbleibt von dem Lichtvollen, das es in diesem Krisenjahr auch gegeben hat und das in der „Schachtel unserer Erlebnisse“ vieles bewahrt und lebendig ist, das uns getrost und vertrauensvoll weitergehen lässt über die Schwelle in ein neues Jahr.

 

September 2020

Wenn viele kleine Leute

An vielen kleinen Orten

Viele kleine, gute Dinge tun

Verändert dies das Gesicht der Welt“

(Sprichwort, N.N.)

Dieses Zitat begleitet mich schon über viele Jahre und lässt mich stets zuversichtlich bleiben, dass es sich lohnt immer wieder das eigene Denken und Handeln zu prüfen und zu entscheiden, was ich durch mein Tun in die Welt setzen mag. Es hält gerade auch in Krisenzeiten die Zuversicht in mir aufrecht, dass mein eigenes kleines Handeln nicht ohne Wirkung bleibt, sondern seinen Beitrag zum großen Ganzen leistet.

Ich habe die letzten Tage immer wieder innegehalten, aufmerksam beobachtet, was an Dynamiken zur Zeit in den inneren und äußeren Welten vor sich geht und es kamen für mich die folgenden Erkenntnisse ans Licht: Im Grunde versuchen wir alle noch irgendwie den gewohnten Alltag aufrecht zu erhalten. Die meisten sind noch immer in der vertrauten Geschäftigkeit verhaftet. Viele in den systemrelevanten Berufen sind gerade um ein Vielfaches gefordert und Ihnen gehört unsere ganze Wertschätzung, dass sie im Einsatz für das große Ganze so tätig und bemüht sind! Plötzlich zeigt sich klar, welche Berufe wichtig und unverzichtbar sind: nämlich all die Dienste von Menschen für Menschen!

Doch viele, die nun freigestellt, im homeoffice oder in Kurzarbeit sind und entschleunigen könnten, bleiben in ihrer gewohnten Geschäftigkeit, nur mit anderen Mitteln. Sei es über virtuelle Welten, online shoppen, Draußenaktivitäten, chatrooms oder durch Übersprungshandlungen, die aus innerer Unruhe entstehen.

Stattdessen wäre diese besondere Zeit, die wir gerade erleben, die Einladung sich endlich (wieder) selber zu begegnen, sich in die Eigenpraxis zu begeben und einen ruhigeren, reizärmeren Alltag zu entwickeln.

Es ist die Gelegenheit, anzuwenden, was wir vielleicht schon über Jahre in Kursen, Seminaren, Weiterbildungen gelernt und erfahren haben. Es ist die Gelegenheit mir selber die Erfahrung zu schenken, wie es auch ohne Gruppe und Außenanleitung gehen kann und so mein Vertrauen in mich und meine innere Kraft zu stärken. Diese ist letztendlich die einzige Sicherheit, die wir haben, nämlich die Kraft, die wir in uns selber nähren und in uns tragen! Doch stattdessen verpassen wir dieses Geschenk, das wir da gerade erhalten: einfach mal über eine gewisse Zeit ganz mit uns zu sein, auf das Wesentliche beschränkt und wieder lernen zu wahrzunehmen, was in mir lebendig ist.

Einige von uns kennen bereits die wohltuende Ruhe und innere Ausrichtung, die aus einem mehrtägigen Meditationsretreat, einem Achtsamkeitsseminar oder auch schon aus einem einzelnen Yogaabend entstehen kann. Diese wohltuende Veränderung, die wir dort in kurzer Zeit erleben, können wir jetzt umso intensiver erfahren, in dieser uns geschenkten Zeit von einigen Wochen ohne äußere Ablenkungen. Es braucht dazu „nur“ die inneren Entscheidung, die jede/r für sich treffen kann: tatsächlich Innezuhalten und Ruhe zu geben.

Und was passiert in dieser Ruhe?

Es kann eine Zeit der Auszeit und Klärung bedeuten.

Das Virus kann eine Art „Glocke der Achtsamkeit“ werden, die uns aufmerken, innehalten, im Moment verweilen läßt! Endlich kehrt innere und äußere Ruhe ein, um sich auf Wesentliches zu besinnen:

Kann ich den jetzigen Moment erleben, ihn spüren, schmecken, riechen?

Was für Gefühle, Unsicherheiten, Gedanken tauchen auf?

Was ist mir wirklich wichtig?

Wie will ich leben, wo meine Kraft hingeben?

Wofür will ich arbeiten, mich einsetzen?

Was benötige ich nicht mehr, kann ich loslassen?

Wie will ich meine Freizeit gestalten: Braucht es weiter viele Reisen, Seminare, Konsum, etc.?

Mit wem will ich leben, welche Beziehungen pflegen?

Was kann ich für meine Gesundheit tun (Essen, Ruhezeiten, Bewegung…)?

Was möchte ich an Entwicklung für mich und für andere initiieren?

Wir erleben eine besondere Zeit des Übergangs. Die entscheidende Umwälzung beginnt nicht im Außen, sondern im Inneren. Es kann eine Zeit der Achtsamkeitspraxis in kollektiver und individueller Weise werden. Wir alle sind aufgefordert unsere Gewohnheiten zu überprüfen und sie gegebenenfalls in Heilsame, Stärkende, Fürsorgliche für uns und andere zu verändern. Aus den gewonnenen Erkenntnissen gilt es ins Handeln zu kommen: achtsam, liebevoll, verantwortlich und konsequenter werdend!

Wir haben in Deutschland das große Glück, dass wir ein Gesundheitssystem haben, in dem wir gut betreut und aufgehoben sind. Die politische Führung sorgt gerade sehr umsichtig und angemessen für größtmögliche stabile, sichere Umstände und gibt fürsorgliche Regeln für das kollektive Verhalten vor, sie unterstützt mit finanziellen Hilfen und ist gut strukturiert und vernetzt. Das schafft eine Basis-Sicherheit für die kollektive Gesellschaft.

Für das individuelle fürsorgliche Handeln ist jede/r einzelne verantwortlich. Dafür gilt es sich bewusst und besonnen auszurichten im Fühlen und Denken, damit daraus gutes, konstruktives Handeln für uns selbst und für alle anderen entstehen kann. Diesen Blick auf die Chancen und neue Qualitäten möchte ich die nächste Zeit noch mehr für mich entwickeln. Nicht mit online Seminaren, nicht mit der Verlagerung der gewohnten Geschäftigkeit auf andere Kanäle, sondern Ruhe geben zur Selbstbesinnung! Lasst uns diese Chance nutzen! Jede/r nach seinen Bedürfnissen und Lebensumständen und auf seine für sie/ihn passende Weise!

Lasst uns nicht in Ängsten, Verschwörungstheorien, Untergangsszenarien verlieren.

Lasst uns nicht Opfer der Umstände werden, sondern Gestalter/innen sein für eine humane, ökologisch umsichtige, wertschätzende, mitfühlende Welt.

Lasst uns auf die eigene Kraft vertrauen, die Kraft der kleinen Samen, die wir jede/r für sich in die Welt geben, damit daraus ein gutes, solidarisches, schöpferisches Miteinander von Mensch, Tier und Umwelt entsteht.

 

Juni 2020

Die Demokratie unserer Herzen stärken

Nach wie vor fordert uns die besondere Corona Zeit heraus.

Die langsamen Lockerungen im öffentlichen Leben tun gut, vor allem darin, dass wir uns wieder mit lieben und uns nahestehenden Menschen treffen können. Wir alle sind auf Gemeinschaft, soziale Kontakte, Austausch und wohltuende Begegnungen angewiesen. Auch wenn die strikten Kontaktverbote zu Beginn sinnvoll waren, ist es nun gut und notwendig dies in achtsamer Weise wieder Schritt für Schritt aufzuheben. Solidarität im Geiste, Verbundenheit durch viele kleinen Hilfen untereinander, Mitgefühl und Unterstützung für die existenziell Bedrohten durch Arbeitsverbot und ebenso das wieder Eintauchen in die Gemeinschaft von Familie und Freundeskreis sind wichtig und stärkend – das spüren wir alle gerade.

Die Corona-Zeit zeigt uns in vielem auf, wo wir als Gesellschaft und auch jede/r Einzelne für sich stehen. Neben dem Umgang mit äußeren Verhaltensweisen ist sie auch eine Studie unseres Charakters, unserer verinnerlichten Muster und Gewohnheiten, ein Spiegel für unser Denken, Fühlen und Handeln. Im yogischen Sinne sind wir aufgefordert die Qualität unseres Unterscheidungsvermögens „ viveka“ zu schulen und bewusst und wach zu sein. Einstehen für die Demokratie und ein verantwortungsvolles Miteinander, welche gerade in den öffentlichen Protesten zunehmend unterwandert werden von gewaltbereiten und rechtsextremen Kräften, ebenso wie durch zahlreiche Verschwörungstheorien, schnelle Bewertungen und strikte Sichtweisen die allesamt nur Fronten statt Miteinander aufbauen,…..

Es gibt viele Übungsfelder für uns alle die Demokratie unseres Herzens zu bewahren: Mitgefühl, Toleranz, Vertrauen, Geduld, Zugewandtheit, Einvernehmen mit dem, was gerade ist zu kultivieren -und aus diesen Herzensqualitäten handelnd zu gestalten. Die uns vertraute körperliche Praxis mit Yoga-Übungen kann uns helfen in unserer Mitte zu sein, körperlich gestärkt und im Innern ausgerichtet zu bleiben.

Darüber hinaus kann gerade jetzt die geistige Lehre des Yoga, die Schriften der Yogaphilosophie ein hilfreicher Begleiter sein für ruhiges, angemessenes Fühlen, Denken, Handeln.

Der achtfache Pfad des Patanjali mit seinen Erläuterungen der Yamas (äußeres Verhalten) und Niyamas (inneres Verhalten) ist dabei grundlegend und schließt alle Ebenen unseres Seins ein. Eine solch innere Ausrichtung hilft uns, dass es uns gelingt, aus der Bewußtheit und Herzenskraft zu leben und uns nicht lenken zu lassen durch Ängste, Konditionieren oder übernommene Konzepte. (Erläuterungen dazu findet Ihr in meinem Yoga-Buch „Yoga – Ein Kompass im Alltag“).

So wünsche ich uns, dass die Praxis und der Geist des Yoga ebenso wie die angewandte Achtsamkeitspraxis uns eint in einem friedlichen, zuversichtlichen, mitfühlenden und achtsamen Geist.

 

April 2020

vom geschäftigen Tun in besonnenes Tun und Sein

Es ist gerade eine Zeit des Neu-Entdeckens, die neue Qualitäten hervorbringen kann. Eine Zeit der Achtsamkeit in der - neben allen Einschränkung und Verlusten - neue Werte und Wertschätzungen aufblühen, da das Selbstverständliche plötzlich gar nicht mehr so selbstverständlich ist. Eine bisher nie dagewesene Situation, in der niemand weiß, was kommen wird, die jedoch auch ungeahnte Möglichkeiten für individuelles Mitgefühl und kollektives Aufwachen in sich trägt.

Wir - jede/r von uns - haben die Wahl: Uns zu verlieren in der allgemeinen, verständlichen Verunsicherung oder uns zu üben in Geduld und Gelassenheit, in Dankbarkeit für das Leben, in Liebe, Verständnis und Fürsorge für einander. Wir können uns besinnen auf Wesentliches und (wieder) lernen zu vertrauen auf die Kraft von Freundschaft, Solidarität und Gemeinschaft.

Wir sind keine Opfer der Entwicklung, wenn wir uns, jede/r für sich und gemeinsam, solidarisch ausrichten in der Kraft, die in unseren Herzen wohnt und tun, was den Umständen entsprechend gut und hilfreich ist. In der Achtsamkeitslehre liegt der grundlegende Aspekt in all unserem Tun und Sein nicht im Außen, sondern im Innern. Das heißt: nicht die äußeren Umstände sind entscheidend (20%), sondern die innere Haltung und unser Umgang damit (80%) und diese haben wir selbst in der Hand !Ich wünsche uns allen, dass es uns gut gelingt, aus dem geschäftigen Tun und den Gedankenkarusellen in ein besonnenes Tun und Sein zu kommen.

 

März 2020

Schritt für Schritt

Wir sind gerade alle aufgefordert täglich neu zu schauen, flexibel zu sein, uns neu auf die aktuellen Gegebenheiten einzustellen und vertraute Gewohnheiten aufzugeben. Im Grunde besteht unser Leben stets aus Veränderung, so wie wir in unseren Kursstunden ja auch darüber sprechen. Auch wenn wir nach Sicherheit und Beständigkeit streben, ist doch jeder Tag, jeder Moment neu und anders. Die einzige Beständigkeit liegt im Wandel und unserem achtsamen Umgehen mit den jeweils gegenwärtigen Umständen.

Zur Zeit ist dies sehr konkret fühlbar. Auf die äußere Instabilität und Nichtvorsehbarkeit haben wir nur einen begrenzten Einfluss. Doch bezogen auf unsere innere Ausrichtung und Stabilität gibt es Möglichkeiten, mit Hilfe von Yoga und Mediation, unser inneres Erleben und äußeres Gestalten zu mehr Ruhe zu bringen. Wir können frei entscheiden, wie wir für uns Anker setzen, die uns gut tun, uns Stabilität und Selbstfürsorge schenken.

Unsere Eigenverantwortung ist in diesen turbulenten Zeiten noch wertvoller und notwendiger geworden. Wir sollten achtsam Prioritäten für unsere Lebens- und Tagesgestaltung entwickeln, und das pflegen und integrieren, was uns stärkt und wohl tut, auch um den aktuellen Herausforderungen angemessen begegnen zu können.

Ich wünsche uns allen Klarheit, (Selbst-)Vertrauen und Besonnenheit, um immer wieder neu sehen zu können, was der nächste hilfreiche Schritt ist.